# 47 I Julius Wiesenhütter über die Magie des Gründens, kulinarische Produktentwicklung und weshalb er sich lieber für mehr Soße entscheidet als zu wenig
Als früherer Managing Director bei Foodora und Caterwings hat Julius die Delivery-Welt von Beginn an miterlebt und mitgestaltet. Mit getvoila baut er heute eine Plattform, die High-End-Küche zuhause erlebbar macht und Restaurants neue Umsatzkanäle eröffnet. Im Restaurant Hero Podcast spricht er über datengetriebene Produktentwicklung, kulinarische Qualität im Versand, Unternehmertum und die Zukunft der Gastronomie zwischen Retail, Tech und Omnichannel.
Gelernt von Julius
1. Vom BWLer zum Foodtech-Gründer
Julius hatte zunächst keine persönliche Verbindung zur Gastronomie. Der Einstieg über ein Praktikum bei Foodora wurde zum Wendepunkt. Dort lernte er die Branche kennen, begleitete die Expansion, launchte Städte und führte schließlich Teams als Managing Director.
Learnings:
• Karrierewege entstehen oft aus Zufällen, nicht aus Plänen.
• Geschwindigkeit und Verantwortung wachsen im Startup proportional zueinander.
• Wer Gastronomie einmal wirklich erlebt, bleibt der Branche oft emotional verbunden.
2. Zielgruppenverständnis als Kernkompetenz
Was Julius bei Foodora am meisten lernte: Gastronomie ist keine homogene Branche. Vom emotionalen Pizzabäcker bis zur systematischen Unternehmensführung muss man sich auf völlig unterschiedliche Persönlichkeiten einstellen. Erfolg entsteht durch die Fähigkeit, beide Welten zu verstehen.
Learnings:
• Produktentwicklung beginnt immer beim Menschen, nicht beim Tool.
• Vertrauen entsteht, wenn Daten echten Mehrwert bieten.
• Die Vielfalt der Branche ist eine Stärke, kein Problem.
3. Die Idee zu getvoila: Zugang zu gutem Essen demokratisieren
Während der Pandemie wurde Julius bewusst, wie limitiert der Zugang zu hochwertigem Essen außerhalb urbaner Zentren ist. Die Idee: Signature-Gerichte aus Spitzenrestaurants für ganz Deutschland verfügbar machen.
Learnings:
• Innovation entsteht oft dort, wo Angebot und Nachfrage weit auseinanderliegen.
• Convenience bedeutet nicht Qualitätsverlust, sondern Reichweitenausbau.
• Versandfähige Küche ist ein eigenes Handwerk, keine Kopie des Restaurants.
4. Kulinarische Produktentwicklung im Versand
getvoila testet Gerichte, analysiert Feedback und arbeitet eng mit Köchinnen und Köchen zusammen. Entscheidend ist nicht die perfekte Authentizität, sondern der perfekte Geschmack für die Zielgruppe. Beispiel: Das berühmte Butter Chicken, das zu einem Bestseller wurde, weil es vertraut wirkt und zugleich besser schmeckt als die Version aus vielen Lieferdiensten.
Learnings:
• Smarte Produktentwicklung heißt, Erwartungen der Zielgruppe präzise zu treffen.
• Höchste Qualität entsteht durch iterative Prozesse, nicht durch einmalige Entscheidungen.
• Kleine Details wie Soßenmenge, Toppings und Verpackung bestimmen das Kundenerlebnis.
5. Daten als Entscheidungsgrundlage
GetVoila wertet aus, wo Menschen bestellen, welche Menüs performen, wann Nachfrage entsteht und welche Gerichte hohe Weiterempfehlungsraten erzielen. Spannend: Menschen bestellen besonders gerne regionales Essen aus anderen Regionen Deutschlands. Nähe ist kein Kaufargument, Exotik dagegen schon.
Learnings:
• Daten geben Hinweise, Emotionen entscheiden.
• Regionale Spezialitäten funktionieren überregional oft besser als lokal.
• Feedback von vielen zählt, nicht die Meinung eines Einzelnen.
6. Unternehmertum zwischen Risiko und Leidenschaft
Julius beschreibt Gründen als ständiges Auf und Ab. Er liebt es, weil jeder Tag Einfluss hat und weil Neugier ihn antreibt. Rückblickend würde er weniger schnell wachsen, weniger einstellen und früher profitabler denken.
Learnings:
• Drei Eigenschaften prägen erfolgreiche Gründerinnen und Gründer: Unzufriedenheit mit dem Status quo, Umgang mit Menschen, echte Begeisterung für das Thema.
• Fehler entstehen in jedem Unternehmen; entscheidend ist die Fähigkeit, daraus Produktverbesserungen abzuleiten.
• Wachstum ist kein Wert an sich, relevanter ist nachhaltiger Impact.
7. Die Zukunft der Gastronomie ist Omnichannel
Für Julius wird die Gastronomie der Zukunft radikal klarer in der Positionierung: entweder schnelle Convenience oder bewusstes Sitzen und Erleben. Dazwischen wird wenig Bestand haben. Gleichzeitig wird Retail eine zentrale Rolle spielen – Marken wollen überall konsumierbar sein.
Learnings:
• Restaurants brauchen klare Formate und starke Kanten.
• Retail und Delivery werden zu strategischen Ergänzungen, nicht zu Nebenkanälen.
• Langfristige Trends wie Korean Food sind relevanter als kurzfristige Social-Media-Hypes.
8. Technologie als Hebel, nicht als Ersatz für Kultur
GetVoila nutzt AI und Automatisierung für Service, Warehouse und Bestellprozesse, aber nie stumpf. Julius betont, dass der Schlüssel darin liegt zu verstehen, was man automatisieren kann – und was nicht.
Learnings:
• Technologie unterstützt Menschen, ersetzt sie aber nicht.
• Automatisierung schafft Raum für Qualität.
• Unternehmen, die Tech nicht nutzen, verlieren Geschwindigkeit und Chancen.
Fazit: Kulinarik neu gedacht
Julius zeigt, wie moderne Gastronomie funktionieren kann, wenn man Daten, Kreativität, Gästeverständnis und Unternehmertum intelligent verbindet. getvoila übersetzt Spitzenküche in ein skalierbares, digitales Erlebnis ohne den Kern der Gastronomie zu verlieren. Seine Geschichte zeigt, wie sich Foodtech und klassische Küche gegenseitig befruchten können und warum die Zukunft der Branche hybrid, vernetzt und mutig sein wird.