#27 I Prof. Dr. Carolyn Hutter über Zukunftsfähigkeit, gute Kommunikation und welches Wort überstrapaziert ist
Prof. Dr. Carolyn Hutter ist Professorin an der DHBW Heilbronn, Dekanin für BWL Food Management und Expertin für Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR). Im Podcast mit Andreas Tuffentsammer spricht sie über ihren persönlichen Werdegang, die Entwicklung des Nachhaltigkeitsbegriffs, Herausforderungen und Chancen für die Gastronomie, praxisnahe Methoden für nachhaltige Transformation und die Rolle von Kommunikation, Führung und Daten im nachhaltigen Management.
Gelernt von Carolyn:
Nachhaltigkeit als Grundhaltung und Generationenfrage
Schon im Elternhaus spielte Umweltschutz eine zentrale Rolle. Carolyn studierte Wirtschaftswissenschaften, spezialisierte sich früh auf Umweltmanagement und schrieb ihre Dissertation zur Nachhaltigkeitsstrategieentwicklung – auch im Luxussegment. Nachhaltigkeit ist für sie kein Trend, sondern eine Grundhaltung und ein Generationenthema.
Learning für die Gastronomie:
- Nachhaltigkeit beginnt mit persönlicher Überzeugung und muss in der Unternehmenskultur verankert werden.
- Die Food-Branche ist sowohl Verursacher als auch Leidtragender von Umweltveränderungen – nachhaltiges Handeln ist existenziell.
Regulierung, Bürokratie & gesellschaftlicher Wandel
In den letzten Jahren hat die Politik – besonders in der EU – stark reguliert, was zu mehr Bürokratie, aber auch mehr Bewusstsein geführt hat. Die Dringlichkeit ökologischer und sozialer Themen ist heute anerkannt, doch zu viel Bürokratie kann dem Engagement schaden.
Learning für die Gastronomie:
- Nachhaltigkeit sollte nicht als Belastung, sondern als Chance für Innovation und Differenzierung gesehen werden.
- Kreativität und Lust am nachhaltigen Kochen machen das Thema für Gäste attraktiv.
Neues Wording: Zukunftsfähigkeit & Respekt
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist für viele überstrapaziert. Carolyn plädiert für alternative Begriffe wie „Zukunftsfähigkeit“ oder „Respekt“ im Umgang mit Natur, Produkten und Menschen. Entscheidend ist, Greenwashing zu vermeiden und echte Weiterentwicklung zu leben.
Learning für die Gastronomie:
- Es geht um kontinuierliche Verbesserung, nicht um Perfektion.
- Traditionelle Methoden wie Nose-to-Tail oder Fermentation bieten nachhaltige Inspiration.
Wesentlichkeitsanalyse & Priorisierung
Carolyn empfiehlt die Wesentlichkeitsanalyse als zentrales Tool: Mit Team und Gästen werden relevante Nachhaltigkeitsthemen identifiziert, priorisiert und gezielt bearbeitet. So kann man mit begrenzten Ressourcen maximalen Impact erzielen.
Learning für die Gastronomie:
- Fokus auf die wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen bringt mehr als Aktionismus.
- Gäste und Mitarbeitende sollten in den Veränderungsprozess einbezogen werden.
Kommunikation & Storytelling
Nachhaltigkeit ist erklärungsbedürftig. Gäste und Team müssen verstehen, warum nachhaltige Produkte teurer sind und welchen Wert sie haben. Neben faktenbasierten Infos (z.B. CO₂-Fußabdruck) ist Storytelling über Lieferanten und Produkte entscheidend.
Learning für die Gastronomie:
- Kommunikation ist das A und O: Werte und Geschichten machen Nachhaltigkeit erlebbar.
- Transparenz schafft Verständnis und Zahlungsbereitschaft.
Change-Management & Team-Einbindung
Veränderungen gelingen nur, wenn das Team mitgenommen und beteiligt wird. Schwarmintelligenz, interne Challenges und Incentives können nachhaltiges Verhalten fördern.
Learning für die Gastronomie:
- Nachhaltigkeit ist ein Teamprozess – Mitarbeitende müssen den Sinn verstehen und mitgestalten.
- Schrittweise Veränderungen und Beteiligung verhindern Widerstände.
Corporate Social Responsibility & Führungskultur
CSR ist Nachhaltigkeit auf Unternehmensebene und umfasst gesellschaftliches Engagement, Umwelt und Führungskultur. Gerade familiengeführte Betriebe sind oft nachhaltiger, weil sie generationenübergreifend denken und Verantwortung übernehmen.
Learning für die Gastronomie:
- Nachhaltigkeit muss von der Führung vorgelebt werden.
- Werte, Unternehmenskultur und Mitarbeiterführung sind entscheidend für langfristigen Erfolg.
Daten & pragmatische Messbarkeit
Auch kleine Betriebe können Nachhaltigkeit managen: Mit einfachen Tools wie Excel und vorhandenen Rechnungen lassen sich Energie-, Abfall- und Lieferantendaten erfassen und Trends erkennen.
Learning für die Gastronomie:
- „Nur was gemessen wird, kann gesteuert werden“ – Daten sind die Grundlage für nachhaltige Steuerung.
- Schon mit 20% Aufwand lässt sich viel bewirken (Pareto-Prinzip).
Politik, Bildung & gesellschaftlicher Hebel
Ernährungsbildung ist ein zentraler Hebel für nachhaltige Entwicklung, braucht aber langen Atem. Politik sollte nachhaltige Innovationen fördern und generationenübergreifend denken.
Learning für die Gastronomie:
- Bildung und langfristige Perspektiven sind entscheidend für echten Wandel.
- Politik, Betriebe und Gesellschaft müssen gemeinsam Verantwortung übernehmen.
Fazit: Nachhaltigkeit als Zukunftsstrategie und Teamaufgabe
Carolyn Hutter zeigt, dass echte Nachhaltigkeit in der Gastronomie mit Haltung, Teamarbeit, Storytelling und pragmatischer Steuerung beginnt. Wer die wichtigsten Themen priorisiert, Mitarbeitende und Gäste einbindet und offen kommuniziert, kann nachhaltigen Wandel gestalten – und sich so zukunftsfähig aufstellen.